Kündigung„Zu teuer!“ ist kein Kündigungsgrund

17. Juli 20250
Das Landesarbeitsgericht Köln erteilt der betriebsbedingten Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen eine Absage.

Die Entscheidung des LAG Köln vom 16. Januar 2025 (Az. 6 Sa 633/23) überzeugt sowohl in dogmatischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die arbeitnehmerfreundliche Kontrolle innerbetrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen. Sie belegt erneut, dass die Schwelle für betriebsbedingte Kündigungen hoch ist – insbesondere dann, wenn der Arbeitsplatz nicht tatsächlich entfällt, sondern die Aufgabenverteilung im Betrieb lediglich neu justiert werden soll, um Lohnkosten zu sparen.

Das Urteil des LAG Köln unterstreicht die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit bei innerbetrieblichen Umstrukturierungen. Kündigt der Arbeitgeber aufgrund „Effizienzsteigerung, oder „technischen und organisatorischen Optimierungsmaßnahmen“, muss er konkret belegen, was genau wie effizienter gemacht werden soll, und wie dies den dauerhaften Wegfall eines Arbeitsplatzes rechtfertigt. Das Urteil stärkt damit die Schutzfunktion des § 1 KSchG und zeigt, dass die Rechtfertigung betriebsbedingter Kündigungen ein prüfungsintensives Terrain bleibt.

Die betriebsbedingte Kündigung zählt zu den häufigsten Beendigungsarten im deutschen Arbeitsrecht. Sie ist in § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzklage geregelt und setzt voraus, dass dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen.

Die Rechtsprechung räumt dem Arbeitgeber zwar eine unternehmerische Gestaltungsfreiheit ein, verlangt jedoch eine konkrete und schlüssige Darlegung der betrieblichen Gründe. Das Urteil des LAG Köln vom 16. Januar 2025 stellt ein instruktives Beispiel dafür dar, wann eine innerbetriebliche Umstrukturierung nicht die Voraussetzungen einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung erfüllt.

 

Der Sachverhalt in Kürze

Die beklagte Arbeitgeberin kündigte dem Kläger betriebsbedingt mit der Begründung, der Arbeitsplatz im Bereich „Operations Support“ sei im Zuge interner Umstrukturierungen entfallen. Künftig sollten die Aufgaben des Klägers auf andere Abteilungen, insbesondere das Partnermanagement, verteilt werden. Der Kläger wandte sich gegen die Kündigung mit der Kündigungsschutzklage – erfolgreich vor dem Arbeitsgericht Aachen und im Berufungsverfahren vor dem LAG Köln.

 

Die Entscheidungsgründe des LAG Köln

 

  1. Keine dringenden betrieblichen Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 KSchG)

Das LAG Köln verneinte das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse und hob hervor, dass das wirtschaftliche Interesse an Lohnkostensenkung für sich genommen kein tragfähiger Kündigungsgrund sei:

„Das Bedürfnis oder gar der Entschluss, Lohnkosten zu verringern, ist kein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.“
(unter Bezug auf BAG v. 20.03.1986 – 2 AZR 294/85)

Ein bloß pauschaler Hinweis auf einen „rückläufigen Supportbedarf“ für das onO-System reiche nicht aus. Es fehle bereits an einer belastbaren Prognoseentscheidung, insbesondere an Angaben zu Umfang und Dauerhaftigkeit eines etwaigen Beschäftigungsrückgangs.

 

  1. Innerbetriebliche Umstrukturierung nicht substantiiert

Zentrale Überlegung des LAG war, dass der Arbeitgeber zwar grundsätzlich befugt ist, innerbetriebliche Organisationsentscheidungen zu treffen, die zur Streichung von Arbeitsplätzen führen. Diese Entscheidung müsse aber nach objektiven Kriterien nachvollziehbar und tatsächlich umsetzbar sein. Auch wenn Umorganisierung durch einen Gesellschafterbeschluss ordnungsgemäß erfolgt ist!

„Die so verstandene Organisationsentscheidung ist mit Blick auf ihre Durchführbarkeit mangels Vortrages eines unternehmerischen Konzepts zur Aufnahme der Aufgaben insbesondere in der Abteilung Partnermanagement nicht nachvollziehbar.“
(Rn. 227)

Konkret forderte das Gericht:

  • ein belastbares Konzept zur Umverteilung der Aufgaben,
  • Angaben zur Kapazität und Arbeitsverteilung in den aufnehmenden Abteilungen,
  • Weisungen oder Priorisierungsvorgaben zur tatsächlichen Umsetzung.

 

Der bloße Verweis auf „Effizienzsteigerung“ oder „Prozessoptimierung“ genügte dem Gericht nicht. Diese Begriffe blieben abstrakt und wurden nicht mit betriebspraktischen Maßnahmen unterfüttert.

 

  1. Leistungsverdichtung als Kündigungsgrund nicht belegt

Ein weiterer Kündigungsgrund – die angeblich geplante Leistungsverdichtung – scheiterte an der nicht erfüllten Darlegungslast der Beklagten. Gemäß der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 20.02.2014 – 2 AZR 346/12) muss der Arbeitgeber detailliert darstellen:

 

  • in welchem Umfang Aufgaben künftig entfallen,
  • wie verbleibende Aufgaben umverteilt werden,
  • warum die verbleibenden Mitarbeiter eine Mehrbelastung leisten können.

 

„Das mindeste wäre hier ein konkreter Vortrag zu einer Weisung an die Abteilung Partnermanagement gewesen, in Zukunft bestimmte Aufgaben zu priorisieren und andere bestimmte Aufgaben im Zweifel liegen zu lassen. Nichts dergleichen wurde vorgetragen.“(Rn. 233)

 

  1. Kein Outsourcing – Aufgabenverbleib im Betrieb

Soweit der Arbeitgeber ein Outsourcing in den Raum stellte, konnte dies ebenfalls keine Kündigung rechtfertigen. Denn ein tatsächlicher Funktionswegfall lag nicht vor, da die Aufgaben innerhalb des Betriebs verbleiben sollten. Damit kommt es entscheidend darauf an, ob und wie diese Aufgaben anderweitig organisiert wurden – was nicht hinreichend belegt wurde.

 

————————

Wenn Sie von einer Kündigung betroffen sind oder befürchten, gekündigt zu werden, zögern Sie nicht, Kontakt mit uns aufzunehmen. Wir stehen Ihnen zur Seite und setzen uns engagiert für Ihre Rechte ein.

Autor*in:  ma

 

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Rechtsanwältin Sophia von Verschuer
Hasenheide 12, 10967 Berlin
+49 30 6912092
mail@kanzlei-vv.de

Follow us on LinkedIn:

Rechtsanwältin Sophia von Verschuer

Copyright © Sophia von Verschuer 2025