KündigungDie fünf Mythen über die betriebsbedingte Kündigung

26. Februar 20250

„Es drohen Entlassungen!“ berichten zahlreiche Medien und tatsächlich sehen sich derzeit immer mehr Arbeitnehmer*innen betriebsbedingten Kündigungen ausgesetzt. Dabei behaupten Arbeitgeber, die Kündigungen seien unvermeidbar, Kündigungsschutzklagen wären aussichtslos.

Nicht selten aber stellt sich im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens heraus, dass die betriebsbedingte Kündigung unwirksam war. Gründe hierfür gib es viele, so einfach – wie es sich manch ein Arbeitgeber vorstellt – geht es nämlich nicht. Es können formale oder inhaltliche Fehler sein, wie z.B. eine mangelhaft oder gar nicht durchgeführte Sozialauswahl. Häufig wird mit dem Ausspruch der Kündigung gegen das sog. Ultima Ratio Prinzip verstoßen. Eine Kündigung muss stets das letzte Mittel sein, ansonsten ist sie unverhältnismäßig. Ein milderes Mittel kann insbesondere die Änderungskündigung sein. Auch die Versetzung – soweit möglich – hat Vorrang.

Dies ist vielen Arbeitgebern nicht bewusst, noch weniger wissen die Beschäftigten Bescheid.

Die fünf Mythen über betriebsbedingte Kündigungen

Mythos I –  „Keine Chance vor Gericht“

Diese Behauptung von Arbeitgebern ist falsch. Richtig ist, dass die Chancen vor Gericht meistens sehr hoch sind. Gerade bei betriebsbedingten Kündigungen machen Arbeitgeber häufig Fehler.

Mythos II –  „Eine Umstrukturierung des Betriebs macht die Weiterbeschäftigung unmöglich“

Eine unternehmerische Entscheidung, den Betrieb umzustrukturieren, rechtfertigt allein noch keine betriebsbedingte Kündigung. Meistens machen es sich Arbeitgeber hier zu leicht.

Mythos III –  „Wer betriebsbedingt gekündigt wird, erhält automatisch eine Abfindung“

Leider ist das nicht richtig. Das deutsche Arbeitsrecht sieht grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes vor, auch nicht bei einer betriebsbedingten Kündigung. Häufig aber können sich die Anwälte außergerichtlich oder im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses auf eine angemessene Abfindung einigen.

Mythos IV –  „Bei einer Führungskraft muss keine Sozialauswahl stattfinden“

Das ist falsch. Richtig ist, dass stets eine Sozialauswahl zwischen Beschäftigten zu erfolgen hat, die fachlich vergleichbare Tätigkeiten auf derselben Hierarchieebene ausüben. Dabei muss es sich nicht um dieselbe Tätigkeit handeln. Gerade bei agilen Unternehmensstrukturen finden sich meist mehrere Mitarbeitende die mit der betroffenen Führungskraft vergleichbar sind.

Mythos V – „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben nur die Wahl zwischen Aufhebungsvertrag oder Kündigung“

Häufig erhalten Beschäftigte das Angebot, einen Aufhebungsvertrag vorgelegt mit dem Hinweis, dass ihnen eine betriebsbedingte Kündigung droht, wenn sie nicht unterschreiben. Arbeitgeber behaupten dann, dass die betriebsbedingte Kündigung rechtmäßig sei und der Aufhebungsvertrag die einzige Chance auf eine Abfindung sei. Das ist in den meisten Fällen falsch. Das Angebot im Aufhebungsvertrag ist häufig zu niedrig. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses kann eine deutlich höhere Abfindung erzielt werden.

 

MERKE: Betriebsbedingte Kündigungen oft unverhältnismäßig!

In den vergangenen Jahren befassen sich die Arbeitsgerichte wieder verstärkt mit der Wirksamkeit von betriebsbedingten Kündigungen. So musste das Landesarbeitsgericht Köln im Sommer 2023 nochmals ausdrücklich erklären, dass eine ordentliche Beendigungskündigung aus betrieblichen Gründen dann ausgeschlossen ist, wenn die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen besteht (LAG Köln Urt. V. 20.06.2023 – 4 Sa 20/23). Geklagt hatte eine Pflegekraft einer Altenpflegeeinrichtung. Der Arbeitgeber unterhielt mehrere Betriebsstätten, von denen er eine schließen wollte. Aufgrund der Schließung der Betriebsstätte kündigte der Arbeitgeber der Pflegekraft. Gleichzeitig hatte der Arbeitgeber in anderen Betriebsstätten freie Arbeitsplätze. Diese hätte der Arbeitgeber der Klägerin anbieten müssen. Weil er dies versäumte, war die Kündigung unwirksam.

Bereits im Jahr 2016 stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass auch die bei Arbeitgebern beliebten Änderungskündigungen dann unverhältnismäßig sind, wenn die erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen bereits durch Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers gem. § 106 GewO möglich ist (BAG Urt. V. 22.09.2016 – 2 AZR 509/15). Gerade vor dem Hintergrund der zunehmend agilen Organisationsstrukturen vieler Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten, sind betriebsbedingte Kündigungen häufig unwirksam.

Sollte Ihr Arbeitgeber daher unter Verweis auf betriebliche Gründe mit einem Aufhebungsvertragsangebot oder gar einer Kündigung auf Sie zukommen, lohnt sich immer eine Beratung durch Ihre Rechtsanwältin.

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